Gemeinschaftliche Forschung bringt neue Erkenntnisse zu GBA1-Gen
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Gemeinschaftliche Forschung bringt neue Erkenntnisse zu GBA1-Gen

Author(s)
  • Ekemini A. U. Riley, PhD

    Aligning Science Across Parkinson's (ASAP) | USA

    Dr. Ekemini A. U. Frau Dr. Riley ist Managing Director von Aligning Science Across Parkinson's (ASAP), einer Forschungsförderungsinitiative, die den Fortschritt in der Parkinsonforschung beschleunigen soll. Als studierte Molekularbiologin schöpft sie Energie daraus, kreative Wege zur Bewältigung wissenschaftlicher Herausforderungen zu finden und eine produktive Zusammenarbe... Read More

Die erste große Entdeckung eines neuartigen Risikofaktors für Parkinson bei Menschen afrikanischer Abstammung zeigt, wie wichtig es ist, unterrepräsentierte Populationen bei der Forschung zu berücksichtigen.

Angesichts der Entdeckung des ersten genetischen Parkinson-Risikofaktors, der speziell für Menschen afrikanischer Abstammung gilt, darf man gespannt sein, wie es nun in der Parkinsonforschung weitergeht. Aktuell besteht die Hoffnung, dass man in der Lage sein wird, sich ein umfassenderes Bild der genetischen Grundlagen des Krankheitsrisikos und verlaufs zu verschaffen – und dass diese genetischen Erkenntnisse bald denjenigen zugute kommen, die in der Forschung lange Zeit unterrepräsentiert und in der Medizin unterversorgt waren. Das Global Parkinson’s Genetics Program (GP2) ebnet den Weg für solche und weitere folgenreiche Entdeckungen dank des Modells der inklusiven, gemeinschaftlichen Forschung.

Kurz gesagt war bereits bekannt, dass es Varianten im GBA1-Gen gibt, die mit einem höheren Parkinson-Risiko einhergehen. Diese Varianten treten am häufigsten bei Menschen nordeuropäischer und aschkenasisch-jüdischer Abstammung auf. Und heute vermeldet GP2 nun die Entdeckung einer neuen GBA1-Variante, die speziell bei Menschen afrikanischer oder gemischt-afrikanischer Abstammung auftritt. Mit dieser Variante ist ein signifikant erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Parkinson verbunden: Die Wahrscheinlichkeit steigt um den Faktor 1,5, wenn eine Kopie vererbt wird, und um den Faktor 3-4, wenn beide Kopien der Variante vererbt werden. Die besagte Variante kam in einer nigerianischen Parkinson-Kohorte recht häufig vor, während sie in anderen Populationen der Welt unglaublich selten war. Daher blieb sie bislang unentdeckt.

Was ist GP2?

GP2 wurde 2019 als erstes Förderprogramm von Aligning Science Across Parkinson’s (ASAP) initiiert. Ziel des Programms ist es, unser Verständnis der genetischen Grundlagen der Parkinson-Erkrankung drastisch zu erweitern und dieses Wissen durch die Genotypisierung von mehr als 150.000 Freiwilligen aus der ganzen Welt weltweit nutzbar zu machen. Dieser Datensatz wäre somit bei seiner Fertigstellung der Datensatz mit dem größten Umfang und der höchsten Abstammungsvielfalt weltweit. Mit diesem Konzept sollen bewusst entscheidende Lücken geschlossen werden, denn unser derzeitiges Verständnis von Parkinson – wie auch anderer Erkrankungen – spiegelt nicht die Vielfalt der Betroffenen wider. Entsprechend unvollständig ist unser Verständnis dieser Krankheit. Das hat enorme Auswirkungen auf die Entwicklung von Arzneimitteln, auf Design und Teilnehmerkreise klinischer Studien sowie in der Folge auf Ungleichheiten in der Behandlung. 

Das Spannende an diesem Programm sind in meinen Augen nicht nur der umfangreiche Rahmen und die Dimension, sondern auch die Strategie, mit der GP2 dieses Programm umgesetzt hat. Unter der Leitung von Dr. Andrew Singleton und Dr. Cornelis Blauwendraat wurde ein Handlungskonzept erarbeitet, nach dem GP2 sowohl Entdeckungen vorantreiben als auch Kapazitäten aufbauen sollte. Dabei sollte eine internationale Forschungsgemeinschaft mit Kompetenzen, Instrumenten und Infrastruktur ausgestattet werden, um neuen Forschungsbedarf und Fragestellungen schnell und effizient aufgreifen zu können. GP2 verfügt über Mitwirkende an mehr als 55 verschiedenen Standorten auf sechs Kontinenten, von denen jeweils Proben beigetragen werden. Dies ist ein enormes Unterfangen und gleichzeitig ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, wenn man bedenkt, dass die meisten groß angelegten genetischen Entdeckungen bisher bei Menschen europäischer Abstammung erfolgten (Schätzungen zufolge zwischen 86 und 96 %). 

Wie sieht der allgemeine Arbeitsablauf in der Praxis aus? Alle qualifizierten Forschenden können bei GP2 mitwirken, sofern sie bereit sind, entweder eine Kohorte zu teilen oder dem Netzwerk Fachwissen zur Verfügung zu stellen. GP2 fungiert dann als zentrale Plattform, wo die genetischen Daten generiert und die entsprechenden klinischen Daten harmonisiert werden. Die genetischen Daten werden an die jeweiligen Forschenden zurückgespielt und in den zentralen computergestützten GP2-Arbeitsbereich übertragen. Jedes GP2-Mitglied kann eine Analyse vorschlagen und technische oder computerbasierte Unterstützung für die Analyse der Daten anfordern. Die Ergebnisse werden dann zusammen mit den zugrunde liegenden Daten mit der übrigen Forschungsgemeinde geteilt. 

Rückblick: der bisherige Weg

In den ersten beiden Jahren von GP2 lag der Schwerpunkt ausschließlich auf den operativen Abläufen und dem Kapazitätsaufbau – Zusammenführung von 147 bislang existierenden Kohorten aus 59 Ländern, Überprüfung des Vorliegens der richtigen Einverständniserklärungen und Zustimmungen zur gemeinsamen Datennutzung, Aufbau von Vertrauen zwischen den verschiedenen Gemeinschaften aus der ganzen Welt und Einrichtung der zentralen Workflow-Pipelines. Im Kern dieser Aktivitäten stand dabei stets das Bekenntnis zur globalen Vielfalt, angefangen bei einer stärkeren Repräsentation innerhalb der GP2-Führung bis hin zur Beschaffung von Finanzmitteln in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen (LMIC) sowie bei unterrepräsentierten Populationen in den USA. 

Im vergangenen Jahr hat GP2 den Schwerpunkt von operativem Betrieb und Infrastruktur auf die Datengenerierung verlagert. Eine der ersten vorläufigen Analysen wurde anhand der nigerianischen Kohorte durchgeführt. Zu dem Zeitpunkt sah man dies eher als eine Übung im Rahmen der Bioinformatik-Ausbildung an, da aufgrund des geringen Probenumfangs (knapp 1000 Fälle) keine großen Erwartungen an die Ergebnisse gestellt wurden. Bei groß angelegten genetischen Studien, bei denen es darum geht, neue genetische Risikofaktoren zu finden, werden häufig zehntausende oder auch hunderttausende Personen einbezogen. Als sich herausstellte, dass die Ergebnisse auf eine neue Risikovariante hindeuteten, wurde die Analyse wiederholt, um die Verlässlichkeit zu erhöhen. Zur Validierung dieses Ergebnisses wurde dann eine unabhängige Studie mit Teilnehmenden von BLAAC-PD (Black and African American Connections to Parkinson’s Disease) durchgeführt, einer von GP2 unterstützten Erhebungsinitiative in den USA für Personen afrikanischer und gemischt-afrikanischer Abstammung. Hierbei wurde nachgewiesen, dass die betreffende Risikovariante bei allen afrikanischen Populationen auch außerhalb Westafrikas häufig vorkommt.

Konkrete Bedeutung, offene Fragen, neue Horizonte

Diese Erkenntnis unterstreicht das Transformationspotenzial eines intensiven Engagements für eine integrative Wissenschaft bei der Suche nach Grundlagenwissen im Sinne einer Verbesserung der menschlichen Gesundheit. Das Ergebnis war zwar unerwartet, aber GP2 hat ein Ökosystem und eine Infrastruktur geschaffen, um gerade solche Erkenntnisse zu ermöglichen. Nur rund 2 % der Teilnehmenden an groß angelegten Genstudien sind afrikanischer Abstammung [Sirugo et al., Cell 2019]; sie machen jedoch etwa 18 % der Weltbevölkerung aus. Darüber hinaus gilt Parkinson in der Regel in afrikanischen und afroamerikanischen Populationen als weniger verbreitet (Bailey et al., 2020, Okubadejo 2007), obwohl diese Einschätzung umstritten ist, da es oft widersprüchliche Berichte und nur wenige Studien gibt, die diese Populationen überhaupt berücksichtigen. 

Als schwarzer Frau nigerianischer Abstammung geht mir diese Erkenntnis sehr nahe. Ich erlebe es nicht oft, dass ich in Genforschungsstudien vertreten bin. Umso dankbarer bin ich, in der ersten Reihe zu sitzen bei einer Entdeckung, die praktische Auswirkungen auf meine Gemeinschaft und alle anderen Menschen mit ähnlicher Abstammung hat. Da gentechnische Studien im Bereich der Präzisionstherapie immer häufiger werden, ist es unerlässlich, dass dieses Gefälle hinsichtlich der Vielfalt bei großen genetischen Studien verkleinert wird, da die Ergebnisse genomweiter Assoziationsstudien (GWAS) möglicherweise nicht in allen ethnischen Gruppen repliziert werden können. Das zeigen sowohl diese GP2-Erkenntnis als auch andere Ergebnisse aus verschiedenen Krankheitsbereichen (etwa dass CYP2D6-Varianten Unterschiede in der Metabolisierung von Krebsmedikamenten [Tamoxifen] bei verschiedenen Populationen begünstigen [Popejoy & Fullerton. Nature 2016], Fortschritte bei Cholesterin-Therapien [PCSK9-Hemmer] dank Berücksichtigung afroamerikanischer Populationen in der Forschung [Cohen et al., Nat Gen 2005]). Diese Erkenntnis birgt neue Chancen für die Behandlung von Menschen afrikanischer Abstammung.

Es gibt noch viele offene Fragen darüber, wie GBA1 zu Parkinson beitragen kann. Bei einer der ersten klinischen Studien von Sanofi (Venglustat), die auf GBA1 abzielte, ging es der behandelten Gruppe schlechter als der Placebo-Gruppe. Dies deutet darauf hin, dass das mechanistische Verständnis des tatsächlichen Krankheitsmechanismus noch unzureichend ist. Die Untersuchung weiterer GBA1-Varianten, die im Zusammenhang mit der Krankheit stehen, kann helfen zu verstehen, wie GBA1-Varianten zu einer Erkrankung führen, um so die therapeutische Ausrichtung auf diesen krankheitsbezogenen Signalweg zu verbessern. Wichtig ist, dass wir durch die Erforschung dieser Varianten in unterschiedlichen Populationen weltweit auch den Personenkreis erweitern können, der von gezielten GBA1 -Therapien profitieren könnte.

Im Zuge der weiteren Beschleunigung der Forschungsaktivitäten durch GP2 ist zu erwarten, dass weitere Erkenntnisse bei Populationen auf der ganzen Welt gewonnen werden, durch die sich unsere Herangehensweise bei klinischen Studien verändern und unser Verständnis der genetischen Architektur der Parkinson-Krankheit verbessern wird. Wenn man bedenkt, welches Ökosystem GP2 geschaffen hat, welche Kapazitäten wir aufgebaut und welche Forschungsgemeinde wir gepflegt haben, dann wird die Geschichte der integrativen Zusammenarbeit klar erkennbar. Auch die Zusammensetzung der Autorenschaft – 78 Autor*innen bzw. 24 verschiedene nigerianische Institutionen – unterstreicht die Geschichte der Zusammenarbeit zwischen dem GP2-Team, dem nigerianischen Teil des International Parkinson’s Disease Genomics Consortium (IPDGC), der Michael J. Fox Foundation und 23andMe. 

Behalten Sie dieses Programm im Auge – es bleibt spannend!

(Einschränkender Hinweis: Diese Entdeckung ist ein wichtiger Meilenstein in der Erforschung der Genetik der Parkinson-Erkrankung; sie hat jedoch derzeit keine Auswirkungen auf die Behandlungsmöglichkeiten. Lesen Sie diese FAQ, wenn Sie mehr darüber wissen möchten, was diese Erkenntnis für Sie bedeuten könnte.)