Abstammungsübergreifende GWAS für Parkinson
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Abstammungsübergreifende GWAS für Parkinson

Um Paige Brown Jarreau | , |
Author(s)
  • Paige Brown Jarreau

    National Institutes of Health | USA

    Paige ist Wissenschaftskommunikatorin und arbeitet leidenschaftlich gern mit den unterschiedlichsten Gruppen zusammen, um Wissenschaft spannender und zugänglicher zu machen. Sie hat Erfahrung in der Entwicklung von evidenzbasierter Wissenschafts- und Gesundheitskommunikation sowie fesselndem digitalem Multi-Media-Storytelling. Derzeit arbeitet Paige für das Center for Alzheim... Read More

Die Parkinson-Krankheit war schon in der Vergangenheit Gegenstand umfangreicher Genforschungsarbeiten. Forschende haben über 90 Genvarianten identifiziert, die das Risiko einer Person, an Parkinson zu erkranken, beeinflussen können.  

Das Erlangen eines umfassenden, globalen Verständnisses der Parkinson-Krankheit ist jedoch bislang an der mangelnden genetischen Vielfalt der Parkinson-Studien gescheitert, die sich größtenteils auf Populationen europäischer Abstammung konzentrierten. Bei welchen genetischen Parkinson-Varianten besteht mit größerer Wahrscheinlichkeit ein ursächlicher Zusammenhang? Welche Varianten könnten in verschiedenen Populationen von klinischem Nutzen sein? Um diese Fragen zu beantworten, sind Daten mit größerer Abstammungsvielfalt erforderlich. 

Eine internationale Kooperation: Abstammungsvielfalt und beeindruckende Dimensionen
Eine neue kollaborative Studie, die in Nature Genetics veröffentlicht wurde, vermittelt ein umfassenderes und globaleres Verständnis der genetischen Landschaft von Parkinson. Die Studie ist die größte und vielfältigste ihrer Art, was zum großen Teil der weltweiten Zusammenarbeit und dem Datenaustausch zu verdanken ist, die unter der Führung des Global Parkinson’s Genetics Program (GP2) stattfinden. In dieser Studie wurden Daten von 49.049 an Parkinson erkrankten Personen, von 18.785 Personen, deren Eltern Parkinson haben oder hatten, und von über 2 Millionen neurologisch gesunden Personen europäischer, ostasiatischer, lateinamerikanischer und afrikanischer Abstammung analysiert. 

Forschende von den NIH, GP2, 23andMe sowie Mitwirkende aus den USA, dem vereinigten Königreich, Peru und Singapur kurierten diese Daten vielfältiger Abstammung aus FinnGen, 23andMe, UK Biobank und anderen frei zugänglichen Datenbeständen. Anhand dieser Daten identifizierten sie 78 Regionen des Genoms („Loci“), bei denen ein signifikanter Zusammenhang zu Parkinson besteht.  

Die Analyse von Daten aus verschiedenen Abstammungsgruppen ist mit besonderen Herausforderungen verbunden. Mithilfe neu entstehender Softwarelösungen und Analysetools können diese Daten trotz zunehmender Abstammungsvielfalt genutzt werden. Dank dieser Tools und der weltweiten Zusammenarbeit können Forschende nun genetische Regionen identifizieren, bei denen in Populationen unterschiedlicher Abstammung ein signifikanter Zusammenhang mit dem Risiko einer Parkinsonerkrankung besteht. In solchen Regionen ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie verursachende Varianten enthalten. 

Für die Studie wählten die Forschenden einen Ansatz, der als genomweite Assoziationsanalyse (GWAS) bezeichnet wird. GWAS ist eine Methode, bei der die Genome vieler Menschen untersucht werden, um nach bestimmten Sequenzvarianten in Genomregionen („Loci“) zu suchen, die bei Menschen mit einer bestimmten Krankheit im Vergleich zu Menschen ohne diese Krankheit häufiger auftreten. Die Forschenden trugen Daten aus bereits veröffentlichten GWAS und verschiedenen Datenbeständen zusammen, um ihrer Suche nach genetischen Risikofaktoren für Parkinson mehr statistische Aussagekraft und Robustheit zu verleihen.  

Durch die Einbeziehung von Daten nichteuropäischer Populationen konnten die Forschenden viele neue genetische Loci identifizieren, die zuvor mit rein europäischstämmigen Populationen nicht bemerkt worden waren. Die meisten der 78 in dieser Studie identifizierten Parkinson-Loci entsprechen Regionen, die bereits mit Parkinson in Verbindung gebracht wurden. 12 dieser Loci sind jedoch möglicherweise neu. Diese neuartigen Loci scheinen Gene zu umfassen, die dazu beitragen, Proteine abzubauen oder zu verstoffwechseln, die Aktivität der Mitochondrien zu regulieren und Immunreaktionen im Gehirn auszulösen.  

Die Mehrzahl der identifizierten Loci stand in allen untersuchten Abstammungsgruppen, einschließlich der europäischen Populationen, in signifikantem Zusammenhang mit einem Parkinson-Risiko. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die zahlreichen Wege, die zu einer Erkrankung führen können, allen Populationen gemein sind. 

Hin zu einer personalisierten Medizin: Feinkartierung und deren funktionelle Bedeutung
Die Forschenden konnten auch die spezifische kausale Genvariante innerhalb von mindestens sechs der von ihnen identifizierten Loci bestimmen, und zwar mit Hilfe des so genannten Fine-Mapping. Bei dieser Feinkartierung wird abgeschätzt, welche spezifischen Varianten innerhalb der einzelnen Loci wahrscheinlich für das Krankheitsrisiko in einer bestimmten Population verantwortlich sind.  

„Eines der Probleme bei GWAS ist, dass man nie weiß, welches genau die funktionelle oder kausale Variante an einem identifizierten Locus ist“, erklärt Ignacio „Nacho“ Mata, Wissenschaftler am Learner Research Institute, Assistenzprofessor für Molekularmedizin am Cleveland Clinic Learner College of Medicine und Mitverfasser der Studie. „Bei jedem GWAS-‘Treffer‘ bzw. jeder Region des Genoms, die signifikant mit einer Krankheit assoziiert wurde, kann es Hunderte von potenziellen Kandidatenvarianten geben.“  

Die Identifizierung der funktionellen Varianten an signifikanten GWAS-Loci und deren Einfluss auf die Genexpression ist entscheidend für Folgestudien und die Entwicklung gezielter Parkinson-Therapeutika. 

„Durch die Einbeziehung von Datensätzen mit unterschiedlichen Abstammungen konnten wir die funktionellen Varianten für einige der Gene an den von uns identifizierten Loci eingrenzen“, so Nacho. „Daten mit unterschiedlichen Abstammungen ermöglichen es, Varianten zu identifizieren, die beispielsweise populationsspezifisch sein könnten. Auf diese Weise kann man auch Varianten identifizieren, die in mehreren unterschiedlichen Populationen signifikant sind und daher mit größerer Wahrscheinlichkeit wichtige kausale Risikofaktoren darstellen.“  

Einige der identifizierten Loci hatten in unterschiedlichen Populationen unterschiedliche Auswirkungen. Das zeigt, wie wichtig Genstudien zu abstammungsspezifischen Risikofaktoren sind. Zwei Loci, die nur bei lateinamerikanischen und afrikanischen Populationen gefunden wurden, lagen in der Nähe der Gene JAK1 und HS1BP3. Diese beiden Gene sind an der Entzündungssignalisierung beteiligt und könnten die Rolle von Entzündungen bei Parkinson-Erkrankungen unterstützen. 

Bedeutung und Wege in die Zukunft

Die Studienergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, in der Genforschung verschiedene Abstammungen zu berücksichtigen. Diese Berücksichtigung verbessert die Genauigkeit der genetischen Risikovorhersage und die Entwicklung personalisierter Behandlungsformen. GP2 arbeitet mit Institutionen zusammen, die mit unterrepräsentierten Populationen arbeiten, um Daten für diese unzureichend berücksichtigten Gemeinschaften auf der ganzen Welt zu generieren. 

„Bei uns haben Menschen aus der ganzen Welt zusammengearbeitet und voneinander gelernt“, erzählt Nacho. „Dieses gemeinsame Arbeiten war für mich war das Aufregendste an der ganzen Studie und den Optionen für die Zukunft.“ 

Weitere Laborstudien sind nötig, um zu bestätigen, wie spezifische Loci, die in dieser Studie identifiziert wurden, die Krankheitsverläufe und -manifestationen beeinflussen. Gleichwohl bietet diese Arbeit eine solide Grundlage für künftige Studien, die darauf aufbauen können. 

Diese Arbeit wurde unterstützt durch: Intramural Research Program of the National Institutes of Health (NIH), National Institute on Aging (NIA), NIH, Department of Health and Human Services, National Institute of Neurological Disorders and Stroke, Parkinson’s Foundation, Michael J Fox Foundation, Aligning Science Across Parkinson’s Global Parkinson’s Genetic Project (ASAP-GP2), American Parkinson’s Disease Association, National Medical Research Council Singapore, Singapore Ministry of Education Academic Research Fund.  

Diese Forschung wurde unter Nutzung der UK Biobank Resource mit der Anwendungsnummer 33601 durchgeführt. Unser Dank gilt den Teilnehmenden und Forschenden der FinnGen-Studie. Wir danken den Forschungsteilnehmenden und Beschäftigten von 23andMe. Die zur Erstellung dieses Artikels verwendeten Daten stammen vom Global Parkinson’s Genetics Program (GP2). GP2 wird durch die Initiative Aligning Science Against Parkinson’s (ASAP) finanziert und durch die Stiftung The Michael J. Fox Foundation for Parkinson’s Research (https://gp2.org) umgesetzt.