Die Genetik der Parkinson-Krankheit: Ursache, Risiko, Schutz?

Dezember 2, 2020

Von Christine Klein

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Juni 1996, Hofburg, Wien – Veranstaltungsort des jährlichen Weltkongresses der International Parkinson and Movement Disorder Society. Professor L. Golbe präsentiert dem staunenden Publikum Fotos aus der schönen Region Kampanien in Süditalien, wo er und seine Kolleg*innen gerade einen großen Stammbaum mit zahlreichen an Morbus Parkinson erkrankten Mitgliedern identifiziert haben – die sogenannte „Contursi-Verwandtschaft“. Zu einer Zeit, als die Parkinson-Krankheit zumeist als Lehrbuchbeispiel für eine umweltbedingte Krankheit angesehen wurde, war der Gedanke, dass Parkinson genetischen Ursprungs sein sollte, schlicht revolutionär. Und für mich, die ich erstmals an einem internationalen Kongress teilnahm, wurde klar, dass ich in meiner zukünftigen Karriere einen Beitrag zur Entschlüsselung der genetischen Grundlagen von Parkinson leisten wollte. 

In rascher Folge wurden die ersten Gene für dominant und rezessiv vererbte Formen der Parkinson-Krankheit identifiziert: Alpha-Synuclein 1997 bei der Contursi-Familie und nur ein Jahr später Parkin in Familien mit sehr frühem Krankheitsausbruch in Japan. Danach wurden weitere und mittlerweile gut belegte Gene entdeckt, die Parkinson verursachen können, wenn sie mutiert sind (LRRK2, VPS35, PINK1, DJ-1). Entdeckt wurde auch einer Reihe weiterer Kandidatengene, bei denen die Bestätigung derzeit noch aussteht.  

Eine entscheidende Entwicklung ist die Identifizierung genetischer Faktoren mit deutlich geringerer Wirkungsstärke, die das Risiko für die Entwicklung von Parkinson erhöhen, jedoch nicht per se ursächlich sind. Das größte bekannte Risiko besteht hierbei durch seltene pathogene Varianten beim GBA-Gen. Interessanterweise wurden häufige genetische Varianten, die das Risiko für Parkinson erhöhen, auch bei Genen gefunden, die zuvor als ursächlich für Parkinson ermittelt wurden, wenn sie seltene schädliche Mutationen aufweisen. Das prominenteste Beispiel hierfür ist das Alpha-Synuclein-Gen. Seitdem ist man im Forschungsfeld von der Bewertung einzelner Gen-Risikovarianten auf die Erstellung von polygenen Risikoscores übergegangen, wobei die neuesten fast 2.000 individuelle genetische Varianten umfassen, die dann verwendet werden können, um Parkinson-Patient*innen in „Risikoquartile“ mit Abstufungen zwischen hohem und niedrigem genetischen Risiko einzuteilen.

Alle derzeit bekannten Parkinson-Gene wurden in verschiedenen Populationen rund um den Globus gefunden. Einige treten jedoch mit sehr variabler und populationsspezifischer Häufigkeit auf. Das auffälligste Beispiel ist die p.G2019S-Mutation im LRRK2-Gen. Darüber hinaus ist es denkbar, dass es populationsspezifische erbliche Parkinson-Formen gibt, wie etwa den X-chromosomal vererbten Dystonie-Parkinsonismus, der ausschließlich bei Patienten philippinischer Abstammung auftritt und für den sowohl die zugrunde liegende genetische Ursache als auch genetische Modifikatoren des Eintrittsalters identifiziert wurden.

Die Genetik hat Antworten auf zahlreiche Fragen zur Pathophysiologie von Morbus Parkinson geliefert, und die ersten auf Gene abzielenden Behandlungen werden derzeit in klinischen Studien getestet. Dennoch gibt es nach wie vor viele ungelöste Fragen. Eine der faszinierendsten Fragestellungen ist für mich das Phänomen der reduzierten Penetranz. Es ist gut dokumentiert, insbesondere bei dominant vererbtem Morbus Parkinson, dass ein Bruchteil der Mutationsträger krankheitsfrei bleibt oder erst sehr spät im Leben erste Anzeichen entwickelt. Solche (genetischen) Faktoren des endogenen Krankheitsschutzes aufzuklären und, wenn möglich, zu verstärken, ist ein weiterer spannender Ansatzpunkt für die Parkinson-Forschung der kommenden Jahre. Und GP2 bietet hierfür das ideale Forschungsumfeld.

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Monogenic Hub lead

Christine Klein, MD

University of Luebeck | Germany