<i>Surgicogenomics </i>und Personen mit GBA-Mutationen

April 28, 2022

Von Benjamin Stecher und Alfonso Fasano, MD, PhD

A hand grips a pen above an MRI scan, symbolizing the process of reviewing or annotating the medical imaging findings.

Surgicogenomics bezeichnet die Nutzung genetischer Informationen über einen Patienten als Prognoseindikator für die Einschätzung von Operationsergebnissen. In der Praxis könnte dies hilfreich sein, wenn es darum geht, welche chirurgischen Eingriffe bei welchen Patient*innen durchgeführt werden sollten bzw. an welcher Stelle im Gehirn diese am sinnvollsten sein könnten.

Beim International Parkinson’s Disease Genomics Consortium (IPDGC) im vergangenen Januar verwendete ich den Ausdruck Surgicogenomics im Zusammenhang mit verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten für die Parkinson-Krankheit – in der Annahme, dass dieser Begriff bereits allen vertraut sei. Ich war dann etwas überrascht, als ich feststellte, dass nur wenige dieses Wort schon einmal gehört hatten. Das schien mir einigermaßen erstaunlich, zumal einige der Anwesenden zur Avantgarde auf dem Gebiet der Genetik zählten. 

Nachdem ich ein wenig nachgeforscht und herumgefragt hatte, wurde mir klar, dass es vielleicht doch nicht so merkwürdig war. Soweit ich es nachvollziehen konnte, wurde der Begriff zum ersten Mal im Jahr 2014 in diesem Manuskript von Marlys H. Witte verwendet. Erste Nennungen im Bereich der Neurologie finden sich aber tatsächlich just in diesem Jahr bei meinem Neurologen Dr. Alfonso Fasano in meiner Heimatstadt am Toronto Western Hospital, nachzulesen hier

Ich habe mich an Alfonso gewandt und ihn gebeten, mir und den Lesern, die ich erreiche, dabei zu helfen, den Begriff zu erläutern. 

Kürzlich wurde berichtet, dass GBA Bei Trägern der Parkinson-Krankheit, denen eine Tiefe Hirnstimulation (DBS) in den Nucleus subthalamicus (STN) implantiert wird, kann es aufgrund der Operation zu einem schnelleren Abbau der kognitiven Fähigkeiten kommen. Es folgt eine Zusammenfassung dessen, was ich dank Dr. Alfonso Fasano über die Bedeutung von Surgicoeconomics für Menschen mit Parkinson-Diagnose, insbesondere mit Mutationen im GBA-Gen, gelernt habe.

F: Welche Hinweise gibt es darauf, dass die Implantation eines THS-Systems in den Nucleus subthalamicus bei Trägern von GBA-Mutationen zu Verschlechterungen führen kann?

Die Überlegung, dass Patient*innen mit pathologischenGBA-Varianten zu labil für eine THS des STN bzw. eventuell geeignetere Kandidaten für eine THS im Globus pallidus pars interna (GPi) sein könnten, ist nicht neu und wurde schon im Rahmen verschiedener Veranstaltungen und Übersichtsarbeiten diskutiert. So wurde etwa beobachtet, dass es Patient*innen mit GBA-Varianten zwar anfangs gut geht, es aber im späteren Verlauf zu einer Verschlechterung im Vergleich zu anderen THS-Patient*innen kommt. Allerdings gibt es keine Studien, in denen die Verläufe dieser Patient*innen mit den Verläufen von Patient*innen mit GBA-Varianten ohne THS verglichen werden. In einer neuen Studie, die kürzlich in Annals of Neurology erschienen ist, wird versucht, diese wissenschaftliche Fragestellung zu behandeln.

F: Sollte diese Erkenntnis sich unmittelbar auf die klinische Praxis bei Trägern von GBA-Mutationen auswirken?

Das ist nicht so einfach zu beantworten. Erstens sind nicht alle pathologischen GBA-Varianten gleich zu bewerten. Offensichtlich sind manche Mutationen schlimmer als andere. Zweitens können kognitive Beeinträchtigungen bei THS des STN durch eine Reihe von anderen, weniger kontrollierbaren Faktoren verursacht werden, so etwa die Platzierung der Kabel. Es wurde mitunter auch behauptet, dass das Eindringen der Elektrode in den Nucleus caudatus, um zum STN zu gelangen, tatsächlich zu kognitiven Beeinträchtigungen führen kann.

Aber das, wo wir hin müssen, ist die „Präzisionsmedizin“. Und Surgicogenomics bedeutet einen Schritt in Richtung personalisierter Medizin. Nach diesem Ansatz konzentriert man sich nicht auf einzelne Gene. Vielmehr wird die Gesamtheit genetischer Variationen in den Blick genommen – auch diejenigen, die einfach als Polymorphismen betrachtet werden. So haben wir beispielsweise in unseren Studien herausgefunden, dass bei den meisten Personen, deren Mobilität sich nach THS des STN verschlechtert hat, Variationen in vier Genen (CRHR1, IP6K2, PRSS3 und SH3GL2) vorlagen, die hauptsächlich mit neuroinflammatorischen Reaktionen in Verbindung stehen. Interessanterweise ist keines der klassischen PD-Gene (einschließlich LRRK2, PRKN und SNCA ) hat eine solche Reaktion vorhergesagt. Was wir wissen wollen, ist, ob wir uns entscheiden, die klinische Praxis zu ändern, basierend auf der GBA Status eines Patienten, welche Behandlungsoption sollten wir wählen. Sollten wir künftig etwa eine THS im GPi oder sogar eine Levodopa-Darmgel-Infusion vornehmen? Oder weder noch? 

Im Toronto Western Hospital sind wir dabei, unsere Patienten retrospektiv zu untersuchen, um zu sehen, ob GPi-DBS-Patienten mit GBA Mutationen schnitten besser ab als ihre STN-Gegenstücke. Dadurch sollten wir in unserem Fachgebiet konkretere Informationen erhalten, mit denen wir weiter arbeiten und Behandlungsmöglichkeiten besser personalisieren können.  Professor Alberto Espay (ein Absolvent der University of Toronto) erinnert uns häufig daran: Wir sollten den Blick darauf richten, wer für welche verfügbare Behandlungsmöglichkeit besser geeignet ist. Wir meinen, diese Devise sollte im gesamten Parkinson-Bereich gelten.

Mehr dazu demnächst an dieser Stelle.

Treffen Sie die Autoren

Benjamin Stecher

Patient advocate and author | Kanada

Alfonso Fasano, MD, PhD

University of Toronto | Kanada